2018: Die Bonusfamilie nach der Familie
Kinder und Eltern in erweiterten Familienkonstellationen
Zum Thema
Wenn Eltern sich trennen, zerbricht für die Kinder ihre vertraute Familie; es endet erst einmal das gewohnte gemeinsame Familienleben, die gemeinsamen Mahlzeiten, die gemeinsamen Ausflüge, aber auch die Möglichkeit Papa und Mama jederzeit zu Hause erreichen zu können. Kinder müssen sich in getrennte Welten mit ungewisser Zukunft einfinden, müssen ihre Familienzeit in Mamazeit und Papazeit, in die Mamafamilie und die Papafamilie aufteilen. Familie hört jedoch nach elterlicher Trennung nicht auf, sondern entwickelt sich weiter (Transitionsprozess, vgl. W. Fthenakis).
Die meisten Mütter und Väter bleiben auf Dauer nicht alleine. Sie lernen neue Partner/innen kennen. Von den Kindern wird verlangt, dass sie sich auf die „Neuen“ einlassen. Und hier beginnt für die Kinder das Problem: Loyal bin ich zuerst meinen eigenen Eltern gegenüber, dann erst zu den „Neuen“.
Entscheidend kann hier sein, wieweit die Kinder nach der Trennung aus einem Loyalitätskonflikt zwischen Mutter und Vater herausgehalten wurden. Dürfen sie eine gute Beziehung zu beiden leben, erleben sie zwar Verlust und trauern, können aber ihre Beziehung sowohl zu den Eltern wie auch zu den jeweils „Neuen“ entsprechend ihren Bedürfnissen gestalten. Kinder in gelingenden Patchworkfamilien haben „Bonuseltern“, behauptet Jesper Juul. Sie leben in modernen neuen „Großfamilien“ und können zu mehreren Erwachsenen gute Beziehungen pflegen. Was früher auf dem Dorf Onkels und Tanten ihren Nichten und Neffen zu bieten hatten, das was sich Kinder von ihren Großeltern abholen konnten, bekommen sie jetzt zusätzlich von den neuen Partner/innen ihrer Eltern. Immer wieder verlieren Trennungskinder allerdings den Kontakt zu mütterlichen oder väterlichen Verwandten. Für die neuen Partner der Eltern ist es umso wichtiger, ihren Platz im Familiensystem mit Einfühlungsvermögen für die Kinder einzunehmen.
Immer mehr Kinder wachsen in – oft geplanten - außergewöhnlichen Familienkonstellationen auf: „Wunschkinder“ in Regenbogen- und Kleeblattfamilien, in der Reproduktionsmedizin entstanden, durch Leihmutterschaft zur Welt gekommen, wachsen und leben auch sie in ihrer Familie.
In gelingenden Patchworkfamilien entstehen aber auch neue familiäre Beziehungen zu Halb- und Stiefgeschwistern. Sie sind für alle Beteiligten eine Herausforderung in der Beziehungsgestaltung mit hohem organisatorischem Aufwand. Hier kommt es auf eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten an, um die erweiterten Ressourcen nutzen zu können und den Kindern ein entwicklungsförderndes, liebevolles Aufwachsen zu sichern.
Dies wollen wir mit Expert/innen, Berater/innen und Therapeut/innen und erfahrenen Eltern erörtern. Wir wollen herauszufinden, welche Unterstützung Kinder und deren Eltern brauchen, um ein empathisches, unterstützendes, förderndes Familienleben gestalten zu können.